Interview mit Regierungsrat Heinz Tännler

Interview mit Regierungsrat Heinz Tännler, 8. September 2021 in Zug.

Sehr geehrter Herr Regierungsrat Heinz Tännler

Sie haben bestimmt eine anstrengende Zeit hinter sich: Ein Virus stellt vieles auf den Kopf: Lockdown – Läden und Restaurants mussten während Monaten schliessen, Kurzarbeit in vielen Betrieben. Gleichzeitig – kein Paradoxon, haben Sie gewissermassen auch eine erfreuliche Zeit hinter sich: Als Finanzdirektor konnten Sie auf ein weiteres erfolgreiches Jahr 2020 zurückblicken. Gesunde Finanzen und eine imposante Ertragskraft erwiesen sich als wichtige Stützen in dieser nicht einfachen Zeit – darauf können Sie und wir Zuger durchaus auch etwas stolz sein.

Im Jahr 2020, welches eine Art Zäsur darstellt, war es für viele Unternehmen, wie auch für die Bürger, nicht einfach, eine Prognose zu stellen. Ähnlich erging es wohl auch dem Kanton. Dieser konnte anfänglich, eben dank den vorhandenen, gesunden Finanzen, ergänzend zum Bund vielen Unternehmen zusätzlich unter die Arme greifen. Bleibt der Virus, müssen wir lernen, damit zu leben und der Kanton wird seine Rolle ein Stück weit neu definieren müssen. Doch nicht nur mit dem Virus, auch anderweitig ist die Welt stärker in Bewegung als auch schon: So z.B. will die OECD einen Mindeststeuersatz einführen.

Eine bewegte Zeit mit Grund genug, Sie zu kontaktieren und Antworten auf unsere Fragen zu erhalten.

Frage 1: Sehr geehrter Herr Regierungsrat, wie haben Sie die Corona-Pandemie selber erlebt und was geht dem Finanzdirektor durch den Kopf, wenn Virologen einen Lockdown verlangen, erstmalig oder dann auch zum wiederholten Mal?

Antwort 1: Gut, persönlich gesehen war die Ankündigung des Lockdown ein Novum – ich hatte in meinem Leben bis anhin noch nie einen Lockdown erlebt. Die Wirtschaft wird behördlich lahmgelegt, Restaurants geschlossen, Homeoffice verordnet, Geschäfte geschlossen, und wenn durch die Stadt gehend, man keine Leute mehr sah. Das ist schon eine spezielle Empfindung. Daran hat man sich gewöhnen müssen.

Persönlich jedoch hat diese Zeit, wo ich sonst als Finanzdirektor von Pontius nach Pilatus gerannt bin, Sitzung um Sitzung abgehalten habe, eigentlich zu einer gewissen Ruhe geführt. Wir hatten Skype-Sitzungen, konnten vom Büro aus arbeiten, wir mussten nicht nach Bern hetzen, den Zug erwischen um nach Zürich zu fahren, oder irgendwohin, auch gab es keine Referate etc. Es hat zu einer gewissen Beruhigung von meinem Leben geführt. Somit absolut auch, nebst all den negativen Aspekten, die weitherum bekannt sind, auch zu einer gewissen positiven Erkenntnis geführt. Ich war mehr zu Hause, ich habe meine Frau neu kennenlernen dürfen. Wir haben viel mehr Zeit zusammen verbracht, man hat geredet oder eben zuhause am Abend gegessen, somit durchaus eine positive Erkenntnis. Dies natürlich nebst all den, wirtschaftlich betrachtet, negativen Aspekten. Soweit zu meiner Wenigkeit. Das muss selbstverständlich nicht repräsentativ sein – möchte ich hier auch festgehalten haben.

Dann die Lockdowns, die Virologen, etc. Da hab ich mir natürlich subito Gedanken gemacht: ja, wie geht’s es dieser Wirtschaft? Ein Lockdown, dann all die Messages, welche von Virologen, von der Politik, vom Bundesrat über die Medien verbreitet worden sind, da hat man sich schon Gedanken oder sich auch Sorgen gemacht, wie geht das weiter. Nicht zuletzt auch mit den KMUs: Restaurants, Bars, die Hotelerie – bei uns im Kanton Zug im Besonderen, aber auch Läden, Diskotheken, Fitnesscenter, die Event-Branche. Wie funktioniert das? Wie kommen die über die Runden? All das hat mir als Finanzdirektor grosse Sorgen bereitet, bevor wir dann zusammen mit dem Bund begonnen haben entsprechend zu diskutieren und kalkulieren wie wir diesem Problem – ich sage mal – entgegentreten können.

Frage 2: Gab es eine Art Reissleine hinsichtlich wie viel Geld der Kanton unbudgetiert bereitstellen wollte oder konnte, dies, auch wenn die wirtschaftliche Situation sich schlimmer entwickelt hätte? Gibt oder gab es in einer solchen Situation einen Plan B?

Antwort 2: Ja gut, ich glaub hier muss man ehrlicherweise sagen, der Bund hat sehr gut reagiert. Beim ersten Lockdown ist der Bund vor allem in die Bresche gesprungen. Natürlich haben wir auf Kantonsebene, alternativ und ergänzend auch Massnahmen kreiert. Wir haben ja einen sogenannten Mutter-RB gemacht mit etwa 16 Massnahmen, zusätzlich zu den Bundesmassnahmen. Man muss jedoch schon auch sagen, die Hauptverantwortung hat dort der Bund übernommen. Und das war auch ganz richtig und ganz gut so. Der Bund hat das Kreditprojekt aufgestellt, man konnte innerhalb eines Tages, innerhalb von 24 Stunden, nach einem bestimmten Schlüssel auf den Umsatz ausgerichtet, Kredit bzw. Darlehen abholen gehen bei der Hausbank. Ich glaube, das ist schon ganz entscheidend gewesen, auch weil es den Druck bei den Kantonen weggenommen hat. Der Bund ist ins Obligo gegangen und hat Milliarden bereitgestellt. Hervorragend – ich muss hier wirklich ein Kränzchen winden: Das hat der Bundesrat und das Finanzdepartement, unter der Führung von Ueli Maurer, hervorragend gemacht, zusammen mit den Banken, zusammen mit der Schweizerischen Nationalbank und weiteren Player in diesem Bereich.

Wir sind dann erst mit dem Härtefallprogramm, im zweiten Lockdown, zum Handkuss gekommen. Dort haben wir aber nicht einfach umbudgetiert. Wir im Kanton Zug haben zwar klare Zusagen abgegeben, dass wir beim Härtefallprogramm mitmachen, wo auch der Bund zu einem grossen Teil mitfinanziert hat mit 70 bis zu 100%, je nach Grösse der Unternehmungen. Wir im Kanton Zug haben letztlich alles durch den Kantonsrat in einem ultraschnellen Prozessverfahren, so schnell wie möglich, legitimieren lassen – wir waren zwei bis drei Mal vor dem Kantonsrat und haben nichts Unbudgetiertes gemacht. Unbudgetiert weil nicht im Budget drin gewesen, aber wir haben einen Kantonsratsbeschluss, sprich, eine Gesetzesgrundlage geschaffen, wo wir nachher die Gelder haben verteilen können. Das ist eine satte Summe, weit über CHF 100 Mio., wo wir für vor allem die behördlich geschlossenen Unternehmen, die Restaurants, haben zur Verfügung stellen können. Ein grosser Teil, wie gesagt, trägt der Bund und wir tragen eine Grössenordnung von den total rund CHF 120 Mio, die wir ausbezahlt haben, solange das Projekt gelaufen ist, von vielleicht CHF 20-25 Mio. Auch hier muss ich dem Bund ein Kränzchen winden, auch hier beim zweiten Programm ist der Bund ins Obligo gegangen.

Frage 3: Ohne staatliche Hilfe wäre es mutmasslich zu vielen Konkursen bzw. Schliessungen von KMU gekommen und Ladenlokale würden leer stehen. Nicht nur jüngst, aber heute durchaus vermehrt, hört man Stimmen, die das Heil im Staat suchen. Ein starker Staat wird es richten, oft mit Verweis auf China, ein autoritär regierter Staat. Sehen Sie eine Entwicklung vielleicht hin zum Staatskapitalismus? Weniger drastisch formuliert, muss man sich als freier Bürger Sorgen machen, dass der Staat sich Schritt für Schritt ausweitet und in immer mehr Bereiche eingreift?

Antwort 3: Eine grundsätzliche Frage. Jetzt im Zusammenhang mit dieser Pandemie war es 1. richtig, dass der Staat, die öffentliche Hand, sagen wir „eingeschritten“ ist. Die öffentliche Hand hat auch die Schliessungen verordnet. Wir sagten, die Restaurants seien zu schliessen, die Diskotheken, die Läden etc. Das ist verordnet worden. Wer verordnet, sollte auch einen Plan vorlegen, wie er die Schäden, bis hin zu den Kollateralschäden, bedienen will. Und folglich braucht es hier den Staat. Es braucht den Bund, die Kantone, bis hin zu den Gemeinden. Soweit die eine Sicht. Dann gab es in der Pandemie auch von der gesundheitlichen Seite – die Seite der Gesundheitsinfrastruktur – Einschränkungen. Die muss ich hier nicht weiter erklären, die kennt man. Das hat auch, zusammen mit den wirtschaftlichen Massnahmen, zu Freiheitseinschränkungen geführt – par excellence, so etwas haben wir noch nie erlebt! Das war ein Novum für mich. All dies ist zum Zeitpunkt einer ausserordentlichen Lage nicht falsch, das war ok. Man wusste auch vieles nicht, z.B. wie die Pandemie funktioniert, wie es weitergeht.

Das Problem ist, wieder aus diesem Modus rauszukommen! Ich meine, dass der Staat wieder die Zügel aus der Hand geben muss, dass die Freiheiten, welche zuvor da waren, wieder zurückgegeben werden. Und das ist, meinte ich, nicht so einfach. Es ist einfacher, Zügel in die Hand zu nehmen, als nachher wieder die Zügel loszulassen. Vor diesem Hintergrund, und diese Diskussion führen wir heute noch, denn die Pandemie ist noch nicht ausgestanden, hat der Bundesrat gerade die Zertifizierungspflicht eingeführt. Das ist schon ein Risiko, nämlich, dass versucht werden könnte, die Staatsallmacht aufrecht zu halten.

Ich mache nicht einem einzelnen Politiker den Vorwurf. Es geht auch mir einfacher, wenn man als Regierungsrat seine Kompetenzen – sagen wir – einfach durchsetzen kann, ohne, dass von rechts und links einem niemand auf die Finger schaut. Dann ist man immer in einer glücklichen Situation und es ist sehr praktisch. Letztlich aber ist es ganz, ganz wichtig, dass man wieder zum Ursprung zurück findet, dass man hier in der Schweiz wieder zur Normalität zurückfindet, dass wir die Freiheiten wieder zurück erhalten und, dass der Staat sich auch wieder aus dieser ganzen Situation zurückzieht. Aber, eine Situation wie in China haben wir selbstverständlich nicht. Ich nehme es dem Bundesrat ab, den Willen zu haben um innerhalb nützlicher Frist wieder den Normalbetrieb zu etablieren können.

Frage 4: Der Bundesrat hat für die Zeit des Lockdown und darüber hinaus Betreibungen eingestellt. Wie kann man wissen, ob die Kredite und damit die benötigte Liquidität welche der Bund garantiert hat auch gezielt eingesetzt worden sind? Haben die Firmen damit Zeit gewonnen sich auf ein neues Umfeld einstellen zu können? Gibt es eine realistische Einschätzung wie die vom Lockdown betroffenen Zuger Unternehmen heute finanziell dastehen?

Antwort 4: Gut, man musste schnell reagieren. Es ist einmal im Raum herumgegeistert, man müsse zuerst prüfen, ob die Firmen überhaupt überlebensfähig seien, bevor man Geld verteilt. Man hat schnell gemerkt, dass das so nicht funktioniert. Man musste sagen, dass die Firmen, welche ein Gesuch stellen, per se überlebensfähig sind, sonst gebe es die gar nicht, sonst würden sie kein Gesuch stellen. Man hat einen pragmatischen Weg wählen und einschlagen müssen. Ich glaube, das war auch richtig. Bei solch einem Ansatz, welcher pragmatisch und auch simpel ist, wo per se nicht jedes Detail geprüft werden kann – man macht es so gut wie möglich, aber wo man in nützlicher Frist helfen soll, entstehen Missbräuche. Gewisse Fehlinformationen werden angegeben und gewisse Fehleinschätzungen können vorkommen und auch Missbräuche entstehen, davon ist auszugehen. Es gilt selbstverständlich, dies so tief wie möglich zu halten. Man muss ein System und eine Prozedur aufbauen, um dies so gut wie möglich zu verhindern. Aber auszuschliessen sind Missbräuche nicht. Wir haben das bei uns, im Härtefallprogramm, ebenfalls gehabt. Wir wissen, dass beim Bundesprogramm vom ersten Lockdown bereits etliche Strafverfahren sich etabliert haben. Es sind Missbräuche passiert, das liegt gewissermassen in der Natur dieser Angelegenheit, wenn man so schnell und pragmatisch helfen soll. Aber ich glaube auch, das war der richtige Ansatz. Sonst wären wir heute noch am diskutieren, ob jemand Geld erhält oder nicht, und dann wäre er pleite. Irgendwo muss ein bisschen nach der 80/20 Regel vorgegangen werden.

Frage 5: Unser Stand gilt als Vorzeige-Kanton, hinsichtlich der Ertragskraft und den Finanzen. Die schöne Landschaft ist zum Teil gottgegeben – natürlich tragen wir dazu auch Sorge. Zug ist in vielerlei Hinsicht freiheitlicher und eigenverantwortlicher unterwegs im Vergleich anderen Kantonen. Können Sie hierzu Beispiele nennen, welche Sie als besonders wichtig erachten und wie sehen Sie die Pflege bzw. auch Treiber solcher, nennen wir sie, Tugenden?

Antwort 5: Gut, man kann es anhand dieser Pandemie als Beispiel vergleichen. Das ganze Härtefallprogramm haben wir im Kanton Zug unglaublich pragmatisch und schnell aufgezogen. Wir haben es liberal aufgezogen und konnten schnell Hilfe anbieten. Von diesem Standpunkt her sieht man, auch im Vergleich zu anderen Kantonen, dass wir sehr schnell, fortschrittlich liberal und grosszügig reagiert haben und die Wirtschaft, die notleidende Wirtschaft, vor allem die KMUs, sehr gut unterstützten konnten. Ich würde somit sagen, der Kanton Zug, ein kleiner Kanton, aber ein sehr dynamischer Kanton und sehr leistungsfähig, hat hervorragende Leute, die hier arbeiten und hervorragende Firmen – das zeichnet diesen Kanton aus. Ein Kanton, der dynamisch, sehr solid und leistungsstark unterwegs ist. Die ganze Härtefallthematik gibt hierzu ein sehr gutes Beispiel ab, welches wir auch im Vergleich zu anderen Kantonen sehr, sehr gut haben bewältigen können. Das ist uns auch von Bern her attestiert worden.

Tugenden: Ja, das ist eben unsere Politik, muss ich so sagen. Das beginnt in der Regierung, das beginnt auch im Parlament und hört auf bei der Bevölkerung. Das ist aber auch unsere Wirtschaft, die Leute, die hier tätig sind. Das sind alles Leute, die nicht irgendwo in einem Korsett geistig gefangen sind, sondern offen sind und innovativ sein wollen, die wollen vorwärts kommen. Ich sehe das auch bei uns im Politbetrieb, da schauen wir nicht rückwärts, da schauen wir vorwärts. Das sind tolle Tugenden, in allen Bereichen, von der Bevölkerung bis hin, oben in der Politik. Das funktioniert und macht diesen Kanton so toll, transparent, so dynamisch und innovativ und letztlich so erfolgreich. Ist aber auch eine Herausforderung gegenüber den anderen Kantonen, welche das Bild eines erfolgreichen Kantons Zug nicht immer so gerne sehen. Schade, aber so ist es nun mal, ein bisschen der Neid-Faktor, welchen es immer gibt, im Kanton wie auch in der Schweiz.

Frage 6: Im Corona-Jahr 2020 konnte der Kanton Zug ein Rekordergebnis verzeichnen und auch das laufende Jahr 2021 verspricht ebenfalls erfreuliche Zahlen. Wie ist das zu erklären, dass die Wirtschaft in einzelnen Branchen darbt, der Kanton finanziell fast unbeschadet?

Antwort 6: Gut, ich kenne die schweizweite Situation bezüglich dieser Corona-Situation nicht im Detail. Aber was ich weiss ist, und was auch erhärtet ist, dass sich die schweizerische wie auch die weltweite Wirtschaft wieder erholt, und, dass im Prinzip wieder gute Zahlen geschrieben werden. Im Kanton Zug ist es besonders positiv. Die Corona-Krise hat bei den internationalen Firmen hier in Zug, sei das Life-Science oder die Vertreter aus der Chemie, im industriellen oder Rohstoff-Bereich wenig anhaben können. Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir Ertragsrückgänge in der Grössenordnung von weit über CHF 100 Mio. haben werden. Das hat sich so nicht ergeben. Im Gegenteil. Die aktuellen Zahlen sind ausserordentlich erstaunlich.

Wir haben neue Ansiedelungen, wir haben Firmen die ausbauen, aus dem Ausland zusätzlich Kapazitäten nach Zug bringen, zusammengefasst eine erstaunlich gute Situation, wo wir nicht damit gerechnet haben. Eine ausserordentliche Situation wie wir es hier in Zug haben. Zug boomt weiter, wir haben trotz Corona ein enormes Wachstum und die Firmen und Unternehmungen, welche durch Härtefallgelder während der Pandemie Unterstützung erfahren haben, das sind auch jene, welche zum Steuersubstrat wenig oder kaum beitragen. Das ist jetzt nicht falsch zu verstehen. Aber selbst wenn die Pandemie nicht stattgefunden hätte, dann hätten diese Firmen wenig bis keine Steuern beigetragen. Wir haben im Kanton Zug die Situation, dass 65% der Firmen keine Steuern bezahlen. Dass sind dann auch die Firmen, unterstützt worden sind. Diese Firmen sind dennoch wichtig für Zug, denn sie bieten Arbeitsplätze. Und Arbeitsplätze produzieren wiederum Steueraufkommen, Einkommensteuer etc.. Das darf man nicht falsch verstehen, aber es zeigt die Situation in Zug, nämlich wie breit und solid wir aufgestellt sind, wir haben tolle Firmen in vielen Branchen, mit internationaler Ausstrahlung und trotz Pandemie mussten wir keine Rückschläge hinnehmen.

Frage 7: Wäre es dann nicht angebracht die Steuern nochmals zu senken? Wie sehen Sie diese Situation? Der Kanton Zug zeigt eine unglaubliche Stärke als Wirtschaftsstandort (auch aktuell wieder Nummer 1 im Wettbewerbsranking einer CH-Grossbank). Wenn immer mehr Wertschöpfung nach Zug kommt und der Kanton volle Kassen hat, welche alternativen Möglichkeiten sehen Sie nebst Steuersenkungen, das überschüssige Steuergeld in einer sauberen Ordnung, möglichst ohne neuen Quersubventionierungen etc. wieder an den Bürger zurückzuführen?

Antwort 7: Auf einen Punkt zusammengefasst: Steuersenkungen. Das ist hier die Frage. Warum keine Steuersenkung, wenn man tolle Ergebnisse schreibt und das Eigenkapital wie auch die Liquidität nach oben steigen, durch die Decke schiessen. Wir haben den Plan, 2025 ein Eigenkapital zu haben von weit über CHF 2 Milliarden und eine Liquidität von über CHF 2.5 Milliarden. Dann kommt diese Diskussion auf. Wir werden diese im Haus haben. Originär wird der Regierungsrat nicht in den Kantonsrat gehen, um eine solche Vorlage zu unterbreiten. Wir sagen, was die juristischen Personen anbelangt, können wir kaum noch weitere Steuersenkungen durchführen, da gibt es irgendwo eine Untergrenze, wo man sonst auf eine schwarze Liste kommt. Bei der Einkommenssteuer (A.d.R. private Personen) sind wir gut unterwegs, hervorragend positioniert in unserem Kanton, schweizweit und international. Wo man eventuell ein Zeichen setzen könnte, ist bei der Vermögenssteuer. Da haben wir eine Motion im Kantonsrat und im Herbst wird es eine Debatte geben.

Aber wir wissen: Jede Steuersenkungsvorlage, oder nur eine Steuersenkungsidee, führt am Ende des Tages zu einer Volksabstimmung. Auch eine Erhöhung. Eine sensible Frage. Da muss man aufpassen, dass die Gesellschaftsordnung, welche wir hier im Kanton haben, nicht über den Haufen geworfen wird. Wir haben aktuell eine gute Ausbalancierung, wo die Reichen – die einkommensstarken – nicht zu viel bezahlen müssen, auch die mittleren Einkommen sollen nicht zu stark belastet werden und wir geben acht, dass die Wenig-Verdiener überhaupt nicht belastet werden. Dies einfach, wegen viel Eigenkapital, auf den Kopf zu stellen, muss man als Politiker sehr mit Bedacht angehen.

Ich komme noch zum letzten Punkt: Natürlich geht es uns sehr gut. Aber wir wissen nicht, ob es uns in drei vier Jahren immer noch so gut geht. Ich erinnere einfach an die Jahre 2013 – 2017, wo wir in einem totalen Tief waren mit einem strukturellen Defizit. Das hat zwei Jahre vorher niemand prognostiziert. Und plötzlich sind wir mit CHF 160 Mio. im Minus dagestanden. Das kann auch in Zukunft passieren. Ich erinnere nur an drei Themen: Wir haben mit der EU keinen Rahmenvertrag, ob man diesen jetzt gut oder schlecht findet, sie dahingestellt. Wir haben kein sauber geordnetes Verhältnis. Was heisst das? Wir wissen nicht wie die globale Weltwirtschaft sich entwickelt, wie China und die USA weiter miteinander zurechtkommen und was das für Auswirkungen auf internationale Firmen bei uns in Zug hat. Wir wissen nicht, was die OECD-Mindeststeuerthematik mit sich bringen wird. Es gibt somit auch internationale Gegebenheiten, die für Zug nicht irrelevant sind, und wenn man in solch einer Situation ein Polster hat, wo man davon zerren kann, ist das sicher nicht falsch.

Frage 8: Könnte das Zuger Model zu Teilen oder ganz umgelegt werden auf andere Kantone und somit schweizweit zu gesunden Finanzen führen? Worin liegen allfällige Schwierigkeiten Ihrer Meinung nach?

Antwort 8: Gut, ich wäre gerne Lehrmeister und würde den anderen Kantonen erklären, was wie gemacht werden müsste. Ich habe Rezepte. Nur, man muss einfach sehen, dass wäre dann der falsche Prophet. Einem Zürcher zu erklären, was er zu tun hat, oder einem Berner zu erklären, was er zu tun hat, funktioniert nicht, da hat man einen schwierigen Stand. Jeder Kanton hat seine Eigenheiten, jeder Kanton hat seine Kultur, seine eigene Politik und dort zu sagen, was zu tun sei, ist ein schwieriges Unterfangen. Ich sehe das, wenn ich in der Finanzdirektorenkonferenz ein Votum halte z.B. in Sachen NFA, Finanzausgleich, dann stellt man fest, da ist zum Teil auch ein Unverständnis vorhanden. Die haben andere Probleme und wenn man dann das Zuger Erfolgsmodell erklären wollte, wird man belächelt, dann heisst es einfach, bezahl du mal einfach.

Trotzdem, es gibt ein paar Grundsätze, die sind wichtig und die sollten auch in die Schweiz hinausgetragen und hochgehalten werden. Dafür setze ich mich auch ein. Auch grad bei der Frage um die Mindeststeuer oder der Harmonisierung. Da bin ich ein fundamentaler Gegner davon.

Wir brauchen den Wettbewerb, wir brauchen die Unterschiede. Das ist nicht falsch, es müssen nicht alle Kantone gleich gut sein. Der Wettbewerb, gerade im Steuerbereich, darf nie, nie abgeschafft werden. Föderalismus, Zuständigkeit bei den Kantonen, gerade auch bei den Steuern ist ausserordentlich wichtig. Es gibt Politiker, die haben das Gefühl, der Bund müsse alles regeln. Da sind wir wieder beim Thema der Frage. So ist das völlig falsch. Von unten nach oben und nicht von oben nach unten, so ist es richtig. Dann die Planungssicherheit: Nicht immer alles latent liegen lassen. Wir brauchen Planungssicherheit, das ist wichtig für die Firmen, die müssen wissen woran sie sind. Zum Beispiel bei der Mindeststeuer der OECD, die wird kommen, ob man es wahrhaben will oder nicht, und dann müssen wir schnell reagieren, damit wir Planungssicherheit bieten können für unsere Wirtschaft. Denn an unserer Wirtschaft und an unseren Unternehmungen hängt auch unser Wohlstand. Das sind für mich drei Beispiele, es gibt aber auch weitere, die wir in die Kantone reintragen sollten. Ich glaube, es gibt Politiker, die stellen sich dem nicht so, sind in einem Korsett gefangen. Und zu guter Letzt, und das mag ich dann gar nicht, nämlich, dass es Kantone gibt, welche in der Tat den Finanzausgleich in ihrer Finanzstrategie als eine Pfeiler erwähnen und strategisches als Bestandteil in der Planung verstehen. Da läuft irgendetwas falsch.

Frage 9: Wie schätzen Sie die Lage bezüglich internationaler Gremien, welche immer mehr in hiesigen Entscheidungsfindungen oder Praktiken eingreifen? So z.B. auch die OECD mit dem Mindeststeuersatz?

Antwort 9: Ja, das ist ein Problem. Da wird die Souveränität in vielen Zuständigkeiten hinterfragt. Und gerade, wenn es um den Mindeststeuersatz geht, dann muss ich sagen, handelt es sich dabei um ein Steuerkartell und um nichts anderes. Grosse Staaten, welche sich verschuldet haben und mehr und mehr Schulden auftürmen, versuchen jetzt Geld zu generieren und dort sind jedes Mal die kleinen, flexiblen, dynamischen Staaten wie die Schweiz unter Beobachtung und am Ende des Tages unter dem Hammer. Es wird versucht, und ich meinte auf eine nicht unbedingt opportune Art und Weise, eine Harmonisierung und ein Wettbewerbsabbau zu etablieren, nur damit die Schuldenwirtschaft dieser Staaten bedient werden kann. Und das ist ein Problem. Da muss ich sagen, da muss dagegengehalten werden, aber als Kleiner kann man diese Lawine nicht aufhalten. Das ist wie beim Finanzausgleich: die Geberkantone sind in der Minderheit und werden von der Mehrheit, den Nehmerkantonen, drangsaliert. Und das ist gleich oder ähnlich im internationalen Umfeld. Da muss ich sagen, das ist eine schwierige Thematik, wo wir uns tagtäglich damit beschäftigen müssen. Und es wird nicht aufhören, das wird andauern, der Versuch einer Harmonisierung – nicht nur im Steuerbereich. Und da ist es wichtig, dass auch wenn es so läuft und diese Lawine kommt, dass man immer wieder die Chancen sucht. Jede Reform, passend oder unpassend, bietet irgendwo Handlungsspielräume, welche man nutzen muss. Nutzen, damit man wieder besser und schneller ist als der Konkurrent. Ich meinte, das ist die richtige Handlungsanweisung, welche wir uns vorgeben sollten.

Frage 10: Zu guter Letzt, gibt es etwas, was Ihnen als Finanzdirektor, oder aber auch als einfacher Bürger bezüglich politischer und gesellschaftlicher Entwicklung Sorge bereitet?

Antwort 10: Da könnte ich abendfüllend erzählen, was mir Sorgen bereitet. Ich könnte aber auch abendfüllend berichten, was mir Freude bereitet. Es sind immer zwei Seiten bei einer Medaille. Auf den Punkt gebracht: Ein Thema, welches mir „Sorgen“ bereitet oder mich kurzum etwas beunruhigt ist, dass die Politik zunehmend moralisiert. Wenn Exponenten aus der Politik ihre eigene Moral – ohne Rechtsgrundlage! – dem Bürger zu verklickern beginnen. Das gibt mir zu denken. Ich meinte, wir haben eine Verfassung und gesetzliche Grundlagen, man kann diese gut oder schlecht finden, aber wir haben diese Ordnung und Vorgaben. Aber es gibt offenbar Leute, die kümmern sich nicht so sehr darum und haben das Gefühl, man müsse nach Moralvorstellungen sagen wir z.B. den Teller füllen, nach Moralvorstellungen die Freizeit und die Ferien verbringen etc. Das bereitet mir Sorgen, weil willkürlich, nicht berechenbar und nicht planbar. Eine Rechtsunsicherheit, wenn die Moral dominiert.

Herr Regierungsrat Heinz Tännler, wir danken für Ihre Zeit und die Beantwortung der Fragen.

Weitere Beiträge, die Ihnen gefallen könnten

Prof. Dr. Bruno Gehrig hält ein Referat über die Entwicklung vom Gremium des Verwaltungsrat und berichtet ebenso über seine Erfahrungen ins solch einer Funktion.
Prof. Dr. Annalisa Manera kam nach Zug und zeigte in Ihrem Referat die Vorzüge und neuesten Entwicklungen der Kernenergie auf.
“Viva la libertad!” – Zu den Klängen von Rockmusik und unter tosendem Applaus betritt Javier Milei am 24. Januar in Kloten die Bühne. Der argentinische Präsident wird vom Liberalen Institut mit dem renommierten Röpke-Preis für Zivilgesellschaft ausgezeichnet...

Bleiben Sie up-to-date und abonnieren Sie unseren Newsletter

Erhalten Sie regelmässig spannende Neuigkeiten, exklusive Einblicke und aktuelle Infos rund um die Wirtschaft in Zug – direkt in Ihr Postfach!